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Annemarie
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Wien, im Mai 2003
Liebe große Familie der Spender und Helfer für die Notleidenden in
BOSNIEN!
Im eiskalten Jänner habe ich erfahren, dass das "Haus des Kindes"
in Wien aufgelassen werde und die Einrichtung des Ordinationszimmers abgegeben
wird. In Bosnien wird dies alles dringend gebraucht!! ... Und es ergab sich:
mein Schwiegersohn borgte einen VW-Bus mit großem Anhänger, der junge Nedim
(er kam vor 11 Jahren als 11jähriger Flüchtling aus Bosnien zu uns) bot sich
als Fahrer an; Zollpapiere vorbereiten, sortieren und verladen. Mit einer Fuhr:
zwei Medizinschränke, ein Schreibtisch, eine Untersuchungsliege, eine
Sterilisationsanlage, Sessel, Hocker, Waage, Karteitrog, Beleuchtung, Vorhänge,
Bettwäsche, Kochplatte, Spielsachen, dann kamen noch vier Türen dazu, fuhren
wir am 25. Feber 2003 los.
Nach drei Stunden verhandeln an der bosnischen Grenze konnten wir die
gebrauchten Sachen ohne Zoll einführen und zur wirklich großen Freude der
Ärzte und Schwestern im Ambulatorium in Tuzla abgeben.
Mit den Türen fuhren wir in zwei eisigen Fahrspuren den steilen Weg zum
Bergdorf Tursunovo Brdo. Wir haben nicht nur Mühsal erlebt, wir haben vor allem
die Freude miterleben können. Sogar der Premier vom Kanton Tuzla H.
Jasarevic lud uns ein und bedankte sich.
Im März sollte die nächste Patenschaftenfahrt sein, ich musste sie
verschieben, da ich nach einem kleinen Schiunfall nicht fahrtüchtig war. Und
für April ergab es sich, dass sich ein Schulmann, Oberstudienrat Rudi Speil,
für seine Osterferienzeit als Fahrer und Packelträger anbot. Gerhard Beuchert,
der schon einige Male eine Bosnienautofuhr machte, half wieder mit. Wie schon in
den Semesterferien waren auch in der Osterwoche unsere in Wien studierenden
bosnischen Medizienstudenten Dalibor und Miroslav in Bosnien und halfen mit
vielen guten Gesprächen bei unseren Patenfamilien. Als gutes Team konnten wir
die Arbeit verteilt viel leichter machen. Von unseren Aktivitäten wird diesmal
Rudi, als Neuling, schreiben.
Ich kann noch berichten, dass "unsere" SAMRA zwei Wochen (22.
April - 6. Mai) im LKH Stolzalpe/Murau/Stmk, im sogenannten Fürst
Schwarzenbergschen Bett zur Therapie und zur Orthesenanpassung sein konnte.
Mutter und die kleine Schwester, die im Vorjahr so früh und überraschend in
der Steiermark zur Welt kam, konnten auch mit sein. Die Operation im Vorjahr und
die Nachbehandlung hier und in Bosnien brachte einen sehr guten Erfolg. Damit
die Therapie weiter gehen kann, brauchen wir außer den finanziellen Mitteln
auch die Instruktionen für die Therapie. Zwei Therapeutinnen aus Tuzla konnten
eine Woche in Österreich dazu lernen. Die Begeisterung und die Dankbarkeit
waren, sind groß.
Das ist alles nur mit Hilfe der Spenden möglich!! Wie kann ich den Dank
ausdrücken, wie weitergeben?
DANKE, DANKE

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Grauenhaft ist es, wenn man durch Bosnien
fährt, wenn eine Hausruine neben der anderen steht, dazwischen die Felder brach
liegen, kilometerweit der Krieg noch immer spürbar ist.
Grausam ist es, wenn man die Schicksale der Menschen hautnah erlebt, die
durch diese Höllen gegangen sind, vertrieben, verwundet, verletzt, verzweifelt,
in erbärmlichen Behausungen lebend, nein vegetierend.
Grauslich ist es, wenn man die "Segnungen" des Westens am
Straßenrand liegen sieht: Plastikplanen, Plastikflaschen und all das andere
Unverrottbare, das in Ermangelung einer Müllabfuhr einfach in die Natur
geworfen wird.
Grau in grau sind die Dörfer und Städte, die Menschen darinnen, grau
sind ihre verhärmten Gesichter, grau sind die staubigen Straßen ohne
Gehsteige, grau die Häuser und die Gstätten, grau die wenigen, leerstehenden
Fabriken.
Das ist Bosnien. Aber vor einem Jahr war es noch viel grauenhafter, grausamer und grauer, denn es geht bergauf. Inländische und ausländische Kräfte, Institutionen, Ministerien und Menschen bauen an einem neuen Bosnien. Und ein Baustein, ein wertvoller Baustein ist unsere Annemarie, die unermüdlich für die Ärmsten, die sich selbst gar nicht oder nur schwer helfen können, einsetzt und Wunder bewirkt. Wie diese Wunder im Detail aussehen, sei nun in der Reihenfolge der Fahrt kurz beschrieben:
wüteten die serbischen Soldaten besonders grausam: Die
"Skeletthäuser" (H. Reisenberger) stehen als Kriegsrelikte
überall. Aber mittendrin haben die Brüder Dadic, die in Bern, Augsburg und
Wien arbeiten, neue Häuser gebaut, die von der Mutter und einem Sohn, die
zurückgekehrt sind, bewohnt und betreut werden. Hier muss Annemarie mehrere
kritische Situationen meistern, was ihr souverän gelingt: Der älteste
Sohn, Rettungsfahrer in Bern auf Osterbesuch, will Annemarie einreden, dass
die Leute hier keine Ziegen wollen, sondern Schweine; die Milch schmecke
ihnen nicht. Da aber alles bei der letzten Fahrt abgesprochen wurde, bleibt
sie fest bei ihrer Meinung: "Ziegen oder wir fahren weiter."
Schweine sind nichts für Muslime, Gerechtigkeit muss gewahrt bleiben! Beim
Rundgang auf dem Bauernhof stellt sich heraus, dass der Bauer 27 Ferkel hat
und diese unserer Annemarie verkaufen möchte. Am nächsten Tag kommen die
Bauern des "Ruinendorfes" zusammen, Annemarie mit ihrem
gebrochenen Schlüsselbein hält sich im Hintergrund, also bleibt mir nichts
anderes übrig, als die Übergabe mit Hilfe einer "Wiener"
Dadic-Enkelin als Listen-Schreiberin durchzuführen. Handschlag mit neuem/r
BesitzerIn und Tätscheln der Ziege besiegeln "offiziell" das
Geschenk. Ganz zum Schluss kam noch eine alte, schwache Frau mit Stock und
wollte die letzten zwei der 15 Ziegen für sich und die Nachbarin
mitnehmen. "Das schafft die nie!", dachte sich Gerhard Beuchert
und führte die drei Wesen nach Hause. Aber das war nicht so leicht, denn
zuerst hätte sich die eine Ziege fast stranguliert, dann durchschaute die
andere Ziege, dass der Strick zu schwach war und riss aus. Gerhard starb
alle Tode, er brachte die Frau nach Hause, aber die Ziegen sahen sich das
neue Dorf an. Während wir in Gornja Tramosnica zehn weitere Ziegen
verteilten, irrte er umher und suchte die Tiere. Vergeblich! Später konnten
wir aber mit Freude feststellen, dass die Ziegen zu ihren rechtmäßigen
neuen Besitzern gefunden hatten.
ist ab der Mitte gelähmt, der Geist in
Ordnung, aber sie darf nicht in die Schule gehen. Ein taubblindes Kind,
Advija, wo der Kontakt nur über die Hände geht - ich habe das 20 Minuten
lang beglückt und erschüttert erlebt, "Helen Keller" in Bosnien
-, muss im Zimmer bleiben. Ins Freie gehen sie fast nie! Mevluda kann nicht
loslassen! Soll Annemarie Kontakt mit dem Schulamt, dem Sozialamt
herstellen? "Koraci nade" würden ein Kind nehmen, aber Mevluda
lehnt ab. Soll es finanzielle Einschränkungen geben?
Fahrt:
Das dreijährige Mädchen streckt die Arme nach Annemarie aus, als sie ins
Zimmer tritt und schmiegt sich glücklich an sie. Was da für ein Kind getan
wurde, kann man nicht genug preisen! Allein für die Operation von Prof. Dr.
R. Graf (Stolzalpe) der angeborenen luxierten Knie (eine ganz seltene
Knieluxation; Samra hätte damit nie gehen, nicht einmal sitzen können!)
wäre ein "humanitärer Nobelpreis" zu vergeben! Es wurde alles
für den Therapieaufenthalt besprochen, und so nebenbei versprach Annemarie
der 21-jährigen Schwester von Samiras Mann, die schwer zuckerkrank ist, das
nächste Mal Teststreifen mitzubringen.
1984 in Sarajevo verantwortlich, wurde dann von
seiner Firma nach Moskau und anschließend in die Mongolei geschickt. Er
blieb dort, um Geld zu verdienen und ein Haus zu bauen. Dabei blieb seine
Ehe auf der Strecke, er ist geschieden, die Kinder sind bei seiner Ex-Frau
in Serbien. Als er im Krieg in seine Heimat zurückkam, waren seine Eltern
vertrieben, das Haus zerstört und er selbst krank (multiple Sklerose).
Jetzt lebt er mit seinen alten und kranken Eltern in einem Zimmer 4,5 x 2,5
m im Altersheim als U-Boot, illegal, arbeits-, versicherungs- und heimatlos.
Das Heim duldet ihn, aber er hat kein Bett, er muss Bett und Essen mit den
Eltern teilen, die ihn füttern, waschen, pflegen. Das Abendessen am
Ostersonntag waren zwei Becher Joghurt für die drei Menschen. Die Mutter
ist außerdem zuckerkrank. Der Rollstuhl, den Annemarie vor ein paar
Tagen übergab, war die erste Gabe und eine große Freude. Öffentliche
(sicher sehr kleine) Unterstützung kann Herr Dautovic nur bekommen, wenn er
einen Wohnsitz hat. Diesen kann er sich aber, da völlig mittellos, nicht
leisten. Wo gibt es ein Zimmer, eine passende Wohnung in Tuzla?Grauenhaft - grausam - grauslich - grau in grau. In diese Welt ist Licht und
Friede hineingetragen worden. Annemarie agiert mit viel Fingerspitzengefühl,
mit großer Sensibilität, aber auch bestimmend, wenn sie das Gefühl hat, dass
Geld und Gaben nicht im Sinne der Spender verwendet werden.
Für die beiden Medizinstudenten Dalibor und Miroslav sind diese Tage eine ganz
wertvolle Bereicherung für ihr Studium, das Umgehen mit Leid und Krankheit wird
sie für ihr ganzes Leben prägen, sie sind außerdem als Dolmetscher eine
wertvolle Hilfe. Sie sind mir Freunde geworden.
Annemarie, Gerhard, Dalibor, Miroslav und ich waren in Frieden miteinander
vereint, es gab in der ganzen Zeit nie auch nur den leisesten Hauch eines bösen
Wortes oder Streites. Dieser Friede geht eindeutig von Annemarie aus!
Diese Karwochenfahrt war eine Fahrt des Friedens.
Auf dieser Fahrt lag der Segen Gottes.
Rudi Speil