Dolomiten Nr. 45 (Freitag, 23. Februar 2007), 14:

KIRCHE / Vergangenheit

Mit dunkler Geschichte versöhnen
Erinnerung an Verfolgung der Hutterer vor 470 Jahren - Zeichen von Kirche und Politik


Für Versöhnung ist es nie zu spät: Bischof Wilhelm Egger (Vierter von links) und der Beauftragte für das interreligiöse Gespräch, Don Mario Gretter (links), mit den drei Ehepaaren der Glaubensgemeinschaft der Hutterer aus Nordamerika. Sie werden in den nächsten zehn Tagen die Heimat ihrer Vorfahren kennen lernen.
Foto: Diözese

Bozen (wib) - Es ist ein wahrlich dunkles Kapitel der Tiroler Geschichte, das Kirche und Politik in diesen Tagen vor Augen geführt wird: Eine Delegation von Hutterem aus Kanada ist derzeit in Nord- und Südtirol unterwegs, um ein von einem Arbeitskreis angeregtes Versöhnungszeichen anzuregen.

Vor über 470 Jahren wurde diese Glaubensgemeinschaft hierzulande nämlich verfolgt, viele ihrer Mitglieder wurden ermordet.

Vor eineinhalb Jahren hat sich zwischen Nord- und Südtirol ein Arbeitskreis aus verschiedenen Organisationen gebildet, der ein Versöhnungszeichen von Verantwortlichen der römisch-katholischen Kirche und der beiden Länder mit den Hutterern erreichen will. Auch wenn seither fast 500 Jahre vergangen sind, sollte dadurch dieses dunkle Kapitel der Tiroler Geschichte aufgearbeitet werden und die Nachfahren der damaligen Verantwortlichen öffentlich erklären, dass die Verfolgungen, Folterungen und Hinrichtungen von damals nicht rechtens waren. Auch solle es dazu dienen, den heutigen Umgang mit Minderheiten, vor allem mit AUsländern, zu überdenken, wie Mitglieder des Arbeitskreises in Bozen erklärten.

Wie ein solches Versöhnungszeichen aussehen soll, steht noch nicht fest: ein Handschlag, die Bitte um Vergebung und der Vermerk der Yersöhnung an der Gedenktafel (siehe Stichwort) vor dem Goldenen Dachl sind im Gespräch.

Einer solchen Versöhnung verschließen sich in Südtirol weder Politik noch Kirche. So empfing Bischof Wilhelm Egger die drei Ehepaare Paul und Susie Hofer aus Elkwater Colony in Alberta, Fred und Katharina Kleinsasser aus Concord Colony in Manitoba und Mike und Lisa Wollmann aus Hillcrest Colony in Saskatchewan. Dabei betonte er, dass die Kirche seither sehr viel gelernt habe, was Toleranz und Dialog betreffe. Die Kirchengeschichts- und Religionsbücher würden eine angemessene Darstellung jener schmerzhaften Zeiten bieten. Auch Landeshauptmann Luis Durnwalder sprach mit den Hutterern: "Es ist an der Zeit, sich mit diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte zu beschäftigen und es auch den Schülern zugänglich zu machen", erklärte er.

Die Hutterer erklärten, nicht im Hass gekommen zu sein. "Vergeben ist die beste Arznei. Das,was vor 400 Jahren passiert ist, steht nicht in unserer Macht. Aber die Versöhnung gehört zur Kirche", erklärte Paul Hofer. Als Auftakt der Versöhnung findet am Todestag von Jakob Hutter am Sonntag in lnnsbruck vor dem Goldenen Dachl eine Gedenkfeier statt. Die eigentliche Versöhnung soll im Herbst stattfinden.

STICHWORT HUTTERER
Die Hutterer sind eine reformatorische Täuferbewegung, die sich im 16. Jahrhundert in Tirol gebildet hat. Sie lehnt die Kindertaufe ab und fordert die "Taufe der Erwachsenen" (Wiedertäufer). Die Hutterer orientieren sich an der Bergpredigt, lehnen Gewaltanwendung und Kriegsdienst sowie kirchliche und weltliche Machtstrukturen ab und leben in Gütergemeinschaft. Ihren Namen erhielten sie von Jakob Hutter, dem damaligen, aus St. Lorenzen stammenden Vorsteher. Als Ketzer wurden die Hutterer von Kirche und damaligen Machthabern verfolgt, 400 hingerichtet.
Auch Jakob Hutter starb am 25. Februar 1536 vor dem Goldenen Dachl in Innsbruck auf dem Scheiterhaufen. Viele Hutterer wanderten nach Amerika aus, wo heute noch 45.000 Hutterer auf 410 Bruderhöfen leben.
Sie sprechen eine Mischung aus Tiroler-Kärnterischem Dialekt mit slawischen und englischen Lehnwörtern.